Ines BöhmerCornelia GräselSabine GlockThomas HörstermannSabine Krolak-Schwerdt

Eine Analyse der Informationssuche bei der Erstellung der Übergangsempfehlung: Welcher Urteilsregel folgen Lehrkräfte?

Kurzlink: https://www.waxmann.com/artikelART102834

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Abstract

In Deutschland spielt bei der Wahl der weiterführenden Schulform die Übergangsempfehlung (Übergangsurteil) der Grundschullehrkräfte eine bedeutende Rolle. Basierend auf dualen Prozessmodellen sozialer Urteilsbildung, die im Allgemeinen zwischen automatischen (spontanen) und kontrollierten (reflektierten) Strategien der Urteilsbildung differenzieren, untersucht die vorliegende Studie die kognitiven Prozesse der Lehrkräfte bei der Erstellung des Übergangsurteils. Im Fokus steht dabei der Informationssuchprozess der Lehrkräfte. Aufgrund der Bedeutsamkeit des Übergangsurteils für die zukünftige Bildungskarriere der Kinder wird angenommen, dass Lehrkräfte eher kontrollierte Strategien verwenden, um zu einem Übergangsurteil zu gelangen. Genauer untersucht diese Studie experimentell, ob die Verwendung verschiedener kontrollierter Strategien bei der Informationssuche durch die Konsistenz (Einheitlichkeit) der Schülerinformationen beeinflusst ist. Konsistente (einheitliche) Schülerinformationen sollen den Annahmen folgend zu einer regelbasierten Strategie führen, bei der das Urteil nur auf Informationen zur Leistung (hier Noten und Arbeitsverhalten), welche aufgrund ihrer Relevanz zuerst gesucht werden, und zum Sozialverhalten beruht. Inkonsistente (widersprüchliche) Informationen sollen in einer informationsintegrierenden Strategie resultieren, die alle Informationen, auch soziale Hintergrundinformationen, zur Urteilsbildung verwendet. Zur Erfassung der Informationssuche wurden den Grundschullehrkräften anhand der ‚Mouselab-Methode‘ verschiedene Schülerfälle am Computer präsentiert. Die Lehrkräfte wurden gebeten, diejenigen Schülerinformationen zu betrachten, die sie zur Bildung des Übergangsurteils benötigen. Dabei wurde die Anzahl, Art, Reihenfolge sowie die Relevanz der betrachteten Informationen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte bei inkonsistenten Schülerinformationen generell mehr Informationen suchen. Die Suchreihenfolge der verschiedenen Informationen wurde nicht durch die Konsistenz beeinflusst. Die Ergebnisse legen weiterhin nahe, dass Lehrkräfte bei der Urteilsbildung (unabhängig von der Konsistenz) zunächst regelbasiert vorgehen, aber ihr Übergangsurteil erst nach einem eher informationsintegrierenden Prozess treffen, der auch soziale Hintergrundinformationen berücksichtigt. Die Hinweise darauf, dass soziale Hintergrundinformationen beim Übergangsurteil eine Rolle spielen, werden diskutiert.

Schlagworte
Übergangsempfehlung; Informationssuche; Informationskonsistenz; duale Prozessmodelle

APA-Zitation
Böhmer, I., Gräsel, C., Glock, S., Hörstermann, T. & Krolak-Schwerdt S. (2015). Eine Analyse der Informationssuche bei der Erstellung der Übergangsempfehlung: Welcher Urteilsregel folgen Lehrkräfte?. Journal for Educational Research Online (JERO), 7(2), 59-81. https://www.waxmann.com/artikelART102834