Ursula Meyer
Das Haus am Maikottenweg
Sieglinde Zürichers fünfter Fall
2003, Waxmann Schwarze Serie, 286 Seiten, broschiert, 12,70 €, ISBN 978-3-8309-1313-9
Ein äußerst intelligenter, vielschichtiger und spannender Krimi, sehr gut geschrieben, auf hohem Niveau. [...] Raffiniert war das Mördergarn gesponnen.
Bernhard Hölscher, Leser
Leseprobe
Die weiß verputzte Fassade von Charlottes Haus lag im Dunkeln, während bei den Nachbarn Festbeleuchtung herrschte. Sie feierten eine Gartenparty mit dichten Grillschwaden und einem Akkordeonspieler, der den Ehrgeiz hatte, das ganze Viertel zum Schunkeln zu bringen. Jetzt wusste ich auch, warum der Maikottenweg noch am Sportplatz völlig zugeparkt war. Bis 'Haus Maikotten' war ich gefahren, um eine Lücke zu finden.
Das gemeinsame Gartentor stand weit offen. Ich setzte die Eimer rumpelnd ab, drückte die Klinke und fand die Haustür zu meiner Überraschung verschlossen. Ich klopfte "energisch", wie sie mir empfohlen hatte, nichts rührte sich. Durch die schmale Glasleiste im Türblatt fiel ein schwacher Lichtschein aus einem entfernter liegenden Zimmer und unter dem Türspalt sah ein Zipfelchen durchsichtiger Folie heraus, wie Anstreicher sie verwenden, um den Fußboden zu schonen. Und jetzt mischte sich in den Holzkohlenrauch von nebenan auch der Geruch nach frischer Farbe. Ich wartete ungeduldig, rüttelte ein weiteres Mal an der Klinke, klopfte ein drittes Mal, ohne Ergebnis. Die Partygesellschaft ließ jemanden hochleben.
Ich ging zur Rückseite des Grundstücks. Im Erdgeschoss brannte trübes Licht, doch die Fenster im Obergeschoss starrten stumpf und dunkel in die Nacht, während sich unter der erleuchteten Markise der Nachbarn Gestalten bewegten. Ihre ins Riesengroße verzerrten Schatten huschten über den gelb-weiß gestreiften Stoff. Ein Mann übertönte die Musik und den Stimmenlärm, eine Lachsalve antwortete.
Charlottes Garten lag hinter einem hohen Maschendraht, den eine dichte Tujenreihe säumte. Offenbar war er nur über das Haus zu erreichen. Ich spähte in das Halbdunkel dahinter und erkannte ein gegen die Hauswand gelehntes Teichbecken, mehrere Büsche, einen hohen Baum an der linken Grundstücksgrenze und dazwischen eine leere, dunkle Fläche.
"Charlotte?" Keine Antwort, nur neues Gelächter von nebenan. Ich klopfte noch einmal, dann wurde es mir zu dumm. Ich drückte auf den Klingelknopf der Partygesellschaft, die Tür wurde geöffnet und im hellen Gegenlicht erschien eine weibliche Gestalt. "Wer ist denn da?" Ihre Stimme klang jung.
"Ich bin mit Ihrer Nachbarin verabredet, aber sie macht nicht auf. Wissen Sie vielleicht, ob sie zu Hause ist?"
Sie zuckte die Schultern.
"Haben Sie sie heute Abend noch gesehen?"
"Heute Nachmittag", korrigierte sie. "Als wir unseren Grill anheizten. Da hat sie im Garten gearbeitet. Später, als unsere Gäste kamen, habe ich nicht mehr darauf geachtet."
"Vielleicht hört sie mich nicht. Gibt es eine Verbindung zwischen Ihren Gärten?"
"Nein!" kam es abweisend zurück. "Was wollen Sie von ihr?"
Pressestimmen
Geschickt gelegte Fährten, genaue Ortsbeschreibungen und ausgereifte Beschreibungen der handelnden Personen - dies sind die Markenzeichen der Autorin, [...] Und wie immer stößt der Leser auf ein Stück Literatur. So spielt das Nibelungenlied eine Rolle bei der Aufklärung des heimtückischen Mordes [...].
Aus: Münstersche Zeitung vom 19. Juli 2003.
Ein spannender Fall, in dem nichts so ist, wie es scheint. Mit psychologischem und kriminalistischem Spürsinn entwirrt die Hauptkommissarin das Knäuel aus privaten Informationen, Ermittlungsfakten und scheinbaren Zufälligkeiten.
Aus: MÜNSTERLAND. H. 4/2003. S. 94f.