Das Geheimnis der Tulpenzwiebel

Jürgen Kehrer

Das Geheimnis der Tulpenzwiebel

Freigraf Kettelers zweiter Fall

1998,  Waxmann Schwarze Serie,  160  Seiten,  broschiert,  9,90 €,  ISBN 978-3-89325-666-2

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Alles beginnt mit einem Würfelspiel um Leben und Tod. Jahre später gibt der Mord an einem schwedischen Kurier vor den Toren Münsters dem Freigraf Bernd Ketteler ein neues Rätsel auf. Doch damit nicht genug müssen sich Ketteler und sein Freund, der Jesuitenpater Martin gleichzeitig noch um den Tod eines Schülers und eine Hexenaffäre kümmern. Bei seinen Untersuchungen führt Ketteler eine seltene Blumenzwiebel, die bei der Leiche gefunden wird, auf eine erste Spur. In welchem Zusammenhang steht der Mord mit dem bizarren Spekulationswahn, der rund um hochgezüchtete Tulpen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgebrochen war? Als kurze Zeit später auch noch die Leiche eines Blumenhändlers entdeckt wird, scheint es als ob dieses erste Indiz den richtigen Weg gewiesen hätte.


Leseprobe

Es war ein Sommertag im Münsterland, und die Hitze lag wie eine Decke über der Landschaft. Nicht ein leiser Windhauch bewegte die Blätter der Bäume, auch die Gehenkten in der Gerichtseiche hingen still, nachdem sie in einem wilden letzten Kampf ihr Leben ausgehaucht hatten.

Die Äste der Eiche bogen sich unter der menschlichen Last. Zehn, zwanzig, dreißig verurteilte Marodeure reihten sich aneinander, bildeten gräßliche, furchterregende Früchte unter der grünen Krone. Ein monströses Bild, geschaffen von der Hand des Krieges, die nun schon fünfundzwanzig Jahre wütete.

Die Marodeure hatten getan, was ihnen ihr Hunger und ihre Geldgier befahl und die Wertlosigkeit von menschlichem Leben erlaubte: Sie hatten ein Dorf überfallen, die Männer erschlagen, die Frauen geschändet, das Vieh zusammengetrieben und die Verstecke der letzten Geldreserven, so sie denn noch nicht gestohlen, den gequälten Opfern entlockt.

Doch diesmal war die Rechnung nicht aufgegangen. Kaum hatten die Plünderer ihre blutige Ernte beendet, sahen sie das Dorf von einem ordentlichen Regiment umstellt. Der König, für den auch sie in mehr als eine Schlacht gezogen waren, kannte keine Gnade mit Marodeuren. Soldaten, zufällig auf der Seite des Rechts und nicht auf der der Schurken, präsentierten ihre Piken und Musketen, folgten schneidig gebrüllten Befehlen der Offiziere, wohl wissend, daß jede Verweigerung mit einem Pistolenschuß geahndet würde.

Die Maradeure wurden allesamt gefangen genommen, diejenigen, die zu fliehen versuchten, starben unter den Stichen der Piken, den Schlägen der Bajonette, den Schüssen der einläufigen Musketen.

Noch am selben Tag wurde Gericht gehalten. Der Regimentskommandeur, ein einäugiger, von vielen Verwundungen lahmer Obrist, hatte zum Spaß der Soldaten, der den Troß begleitenden Frauen und Kinder und der überlebenden Dorfbewohner ein grausames Spiel angeordnet. Jeweils zu zweit traten die Gefangenen an eine Trommel, die als Würfeltisch diente. Jedes Pärchen würfelte um Leben oder Tod. Der Gewinner des makabren Wettbewerbs wurde begnadigt, der Verlierer kam an den Baum. (...)