Contergan
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Walburga Katharina Freitag

Contergan

Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen

2005,  Internationale Hochschulschriften,  Band 444,  456  Seiten,  broschiert,  49,90 €,  ISBN 978-3-8309-1503-4

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Als Genealogie bezeichnet Foucault eine Analyse der Geschichte der Gegenwart, die die Konstitution des Subjekts im historisch-kulturellen Zusammenhang zu erklären vermag. Diese Denkfigur greift die Autorin in ihrer Studie auf, hält sich jedoch nicht an die foucaultsche Regel, sich dabei vom konstituierenden Subjekt zu befreien. Stattdessen gibt sie ihm einen angemessenen Ort, indem sie sich der Frage zuwendet, welche biographische Bedeutung die von orthopädischen, sonder- und heilpädagogischen Disziplinen entwickelten Normalisierungspraktiken aus der Perspektive derjenigen gewonnen haben, denen der Diskurs galt.

Die biographischen Erzählungen contergangeschädigter Frauen und Männer, so ein zentrales Ergebnis, lassen ihrerseits Regeln erkennen, nach denen biographisch 'wahres' Wissen entwickelt wird und Ablehnungen und Modifikationen der Bezeichnungs- und Normalisierungspraktiken verlaufen. Zudem geben sie Hinweise auf Bildung von gesellschaftlichen Gegenentwürfen, die kurz davor sind, in moralisch motivierte Kämpfe zu fließen.

Pressestimmen

Durch die Gegenüberstellung von medizinischem Dispositiv und biographisch "wahrem" Wissen gelingt Walburga FREITAG eine Annäherung an die moralische Grammatik und die historisch-politische Bedeutsamkeit dieses sozialen Konfliktes. Die Verknüpfung von Diskursanalyse und Biographieforschung ist also nicht nur in methodischer Hinsicht gelungen, sondern fördert auch, was positiv hervorgehoben werden sollte, neue Erkenntnisse über das Verhältnis von Subjekt, Gesellschaft und Wissenschaft zu Tage.
[Eine] grundlegend positive Bewertung dieser Studie. Allein das Bemühen um eine Verbindung von qualitativ-hermeneutisch subjektbezogenen Verfahren mit der Diskurstheorie FOUCAULTs kann nicht hoch genug bewertet werden. Auch das Bemühen der Autorin um Nachvollziehbarkeit und methodische Transparenz ebenso wie um eine tatsächlich empirisch begründete Thesenbildung muss positiv hervorgehoben werden. Indem Walburga FREITAG die Subjekte als biographische Akteure sichtbar macht und sie auf diesem Wege in die FOUCAULTsche Diskurstheorie "zurückholt", gelingt es ihr, richtungsweisende Fragen für eine zukünftige Erforschung des Macht-Wissens-Komplexes aufzuwerfen.
Anne Klein in: Forum Qualitative Sozialforschung, Vol. 7, No. 2, Art. 15, März 2006; URL: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-06/06-2-15-d.htm

Ganz besonders kann die inspirierende Studie von Walburga Freitag die reichhaltigen Perspektiven auf "Behinderung" jenseits des medizinischen Blickes erschließen. [...] Vor allem der erste Teil der Studie erscheint fast wie ein Wissenschaftskrimi [...] Auch der zweite Teil ist aufgrund seiner methodologischen Begründung und den "anderen Geschichten" über Contergan, die damit generiert werden, sehr aufschlussreich.
Beide Teile der Studie durchdringen sich zu einer außerordentlich anregenden Einheit, die ihren Erkenntnistheoretischen Höhepunkt in einer sehr überzeugenden "Hermeneutik des Subjekts" findet. [...] Wer also an einer Theorie- und Weiterentwicklung der Sonderpädagogik als Differenzdisziplin ernsthaft Interesse zeigt, wird sich mit den äußerst anregenden Studien von Walburga Freitag [...] auseinandersetzen müssen.
Sven Sauter in: EWR 5 (2006), Nr. 6 vom 28.11.2006.