Alltagsleben im "sozialistischen Dorf"

Barbara Schier

Alltagsleben im "sozialistischen Dorf"

Merxleben und seine LPG im Spannungsfeld der SED-Agrarpolitik (1945-1990)

2001,  Münchner Beiträge zur Volkskunde,  Band 30,  328  Seiten,  E-Book (PDF),  19,50 €,  ISBN 978-3-8309-6099-7

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Merxleben, ein thüringisches Dorf, in dem 1952 die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) gegründet wurde, sollte ein sozialistisches "Musterdorf" werden. Das Wechselspiel aus Veränderung und Resistenz wird in dieser empirischen Untersuchung eindringlich dargestellt.

Quellengrundlage bilden Feldforschungen, Interviews mit Bewohnern und Funktionären sowie umfangreiches Archivmaterial. Die Autorin verdeutlicht, wie der "Aufbau des Sozialismus" auf dem Land staatlicherseits projektiert wurde, wie er sich in der Realität abspielte und woran er scheiterte.

Anschaulich und facettenreich beschrieben wird das spannungsreiche Beziehungsgefüge von normativer Agrarpolitik und Dorfalltag, von staatssozialistischem Diktat und dörflicher Nischenkultur, von Anpassung und Widerstand.

Pressestimmen

Das mehr aus völkerkundlicher Sicht angelegte Buch von Barbara Schier erfasst Themenbereiche, von denen wir verschwommen wussten, aber kaum genauere Auskunft darüber erhalten haben. Der Autorin ist es gelungen, in mühevoller Kleinarbeit alte Erinnerungen der befragten und direkt beteiligten Menschen des Dorfes Merxleben wachzurufen.
Aus: Thüringer Allgemeine, Beilage Bad Langensalza vom 17.08.2005.

Die Fallstudie zeigt eindrucksvoll, wie sich mit Hilfe eines Oral-History-Ansatzes Erfahrungen des Arbeitsalltags in den Dörfern der DDR erschließen lassen.
Aus: Arbeit in der Geschichte. Unterrichtsideen III. Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten (Hrsg.). Edition Körberstiftung, S. 111.

Die Arbeit basiert auf breitem Archivmaterial, ihre Bedeutung liegt noch mehr in der übersichtlichen Darstellung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse anhand von direkten Befragungen der Dorfbewohner. [...] Barbara Schier zeichnet mit Akribie den wechselvollen Verlauf der inner- und außerbetrieblichen Entwicklung Merxlebens nach und setzt mit großem Gespür fürs nuanchenreiche Darstellen komplexer Sachverhalte Maßstäbe für alle künftigen Beiträge zur Geschichte der ostdeutschen Landwirtschaft dieser Art. [...] Diese Geschichte der LPG Merxleben ist eine Pionierleistung.
Ulrich Kluge in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie. 51. Jg. H.2/2003.

Das Buch ist eine volkskundliche Fleißarbeit, die nicht nur einen Ort über breites Quellenstudium, intensive Feldforschung und umfangreiche Interviews für dieses Projekt erschließt, sondern ihn durch fundiertes Wissen der Gesamtentwicklung des ländlichen Raumes in der DDR zu einer Art "Brennspiegel" und exemplarischen Nachvollzugsort der SED-Agrarpolitik macht. Ein gut geschriebenes, materialreiches und mit einer fundierten Literaturrecherche untermauertes Buch.
Aus: Pro-Regio-Online 2003. www.pro-regio-online.de

Ein Buch, dessen Rezension eine erfreuliche Aufgabe ist, da mit spannender Lektüre und Erkenntnisgewinn verbunden - und dem daher eine zahlreiche Leserschaft zu wünschen ist.
Ira Spieker in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde. 2003. S. 235f.

[...] Barbara Schier [...] verfügt über ein ausgeprägtes Talent, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren [...] Die Darlegungen ihrer einzelnen Arbeitsschritte und auch ihre Auswertung der Forschungsliteratur sind mustergültig. [...]
Im historiographischen Teil werden Ereignisse [...] historisch eingeordnet und sachlich [...] dargelegt. Die Stärke dieses Teils besteht darin, auf Aspekte des DDR-Landlebens aufmerksam zu machen, die die Städter kaum zur Kenntnis nehmen und die auch nur

Besonders ist die akribische, mitunter kriminalistische Spurensuche hervorzuheben, die neben den üblichen Archivrecherchen und der oral history auch Dokumentarfilme und Reste des Traditionskabinetts umfaßt. So wird ein umfassendes Bild des arbeitsweltlichen Lebens gezeichnet [...] Detailliert wird die stadial sehr unterschiedlich verlaufene Enwicklung der LPG-Gründungen nachvollzogen bis 1961 - der sogenannten "Vollgenossenschaftlichkeit". [...] Abhängigkeiten wirtschaftlicher, familiärer, konfessioneller oder politischer Art untereinander sind sehr gut herausgearbeitet. [...] Sehr gut und detailliert ist auch die vielfach hektische und kampagnehafte Politik der Berliner zentralen Partei- und Staatsorgane dargestellt. [...] Das hohe Verdienst dieses Buches besteht in der Fokussierung auf ein Dorf unter ständiger Beobachtung der allgemeinen Einflüsse.
Wolf Karge in: Zeitschrift für Volkskunde. 2003/I. S. 146ff.

In dem breit angelegten und facettenreichen Kapitel "Aspekte des Alltagslebens" berücksichtigt Schier auch den Wandel der Wohnverhältnisse und des Interieurs von Bauernwohnungen. Der Alltag im sozialistischen Dorf war geprägt von taktisch motivierter Anpassung bis hin zu aktivem individuellen Widerstand gegen Maßnahmen einzelner SED-Funktionsträger.
Hartman Wunderer in: Das Parlament. http://www.das-parlament.de/2002/17/daspolitischebuch/051.html

Allein Schiers Schritte in ein minengespicktes Neuland verdienen schon deshalb Anerkennung, weil sie neue Horizonte öffnen, über die sich reden lässt, ohne von vornherein über ihren Wert oder Unwert zu richten. [...] Die politisch befohlene "sozialistische Dorfgemeinschaft" blieb nach Schiers Erkenntnissen Fiktion. Kann man dieser starken Behauptung trauen? Ja, weil zahlreiche Details in der Untersuchung dafür sprechen; hinzu kommen die Aussagen zahlreicher Zeitzeugenberichte: Wenn Schier nicht von vornherein in der Art ihrer Befragung und im Umgang mit den Interviewpartnern sich breites Vertrauen in Merxleben erworben hätte, wären ihr Haus- und Hoftüren verschlossen geblieben, Schier moderiert mit großem Gespür für Rechtlosigkeit und Unterdrükung das, was ihr mündlich und schriftlich überliefert wurde. Sie behauptet nichts ohne den dazugehörenden Beweis. [...] Wer sich am Beispiel eines Genossenschaftsbetriebes in die komplexe Materie der "sozialistischen Landwirtschaft" einarbeiten möchte, um aus einer anschaulichen, übersichtlich strukturierten und gut erzählten Fallstudie in weitere Wirklichkeitsbereiche vorzustoßen, der sollte sich Schiers Geschichte der Merxlebener und ihrer LPG zum Ausgangspunkt wählen.
Ulrich Kluge in: sehepunkte, http://www.sehepunkte.historicum.net/2003/02/3830910991.html

Sie [die Autorin] lässt die Menschen zu Wort kommen, welche die Kollektivierung ihres Dorfes über sich ergehen lassen mußten, (...) Zuvor stellt sie die sogenannte demokratische Bodenreform dar, beschreibt den agrarpolitischen Hintergrund und interpretiert kritisch die DDR-Agrarpolitik mit deren "beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen".
Klaus-Peter Krause in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. März 2002. S. 13.

Was hat sich wirklich getan im Dorf der DDR? Warum bestehen noch heute Genossenschaften? Von wem und wie wurden und werden die Lebensumstände im Dorf geprägt? Hier tut sich ein weites, (...) Feld für die Wissenschaft auf. Eine, die sich kühn an dessen Bearbeitung gewagt hat, ist Dr. Barbara Schier (...). Sie legt eine umfangreiche, fundierte volkskundliche Studie "Alltagsleben im 'sozialistischen Dorf' (...)" vor, die neue Erkenntnisse über die DDR-Landwirtschaft vermittelt und auch zu Widerspruch herausfordert, die lebendig geschrieben und klar gegliedert ist. (...) Die Studie lebt von Interviews mit den Leuten aus dem Dorf. Sie beweisen, dass die viel propagierte "sozialistische Menschengemeinschaft" in der Wirklichkeit nicht bestand. Sie sagen viel aus über den Alltag auf dem Dorf - (...).
Rosi Blaschke in: Neues Deutschland vom 22. November 2002, Politisches Buch S. 11.

Wer in Zukunft zu den Problemfeldern Alltag in der DDR, speziell auch auf dem Lande, Agrargeschichte der DDR und ähnlich gelagerten Themen forscht, wird nicht umhin kommen, Barbara Schiers Arbeit sehr genau zu lesen. Mit ihrer Untersuchung in Merxleben hat Barbara Schier einen wichtigen Grundstein gelegt, auf den jetzt weitere volkskundliche Detailstudien zur dörflichen Entwicklung in der DDR aufbauen können und müssen. Dabei sollte die Gründlichkeit, mit der sich die Autorin dem Thema annimmt, und die ausgezeichnete theoretische Fundamentierung durchaus Vorbildcharakter haben. Nicht zuletzt gilt es den umfangreichen Literatur- und Quellenanhang zu benennen, den jeder, der sich diesem oder einem ähnlichen Forschungsgegenstand nähert, zu schätzen wissen wird.
Der verständliche Schreibstil von B. Schier und ihre objektive Herangehensweise, aber auch der logische Aufbau der Arbeit machen ihr Buch auch unabhängig vom wissenschaftlichen Interesse zu einem äußerst interessanten Lesestoff. Es kann nur uneingeschränk

Das, was über die verfehlte SED-Agrarpolitik und die Mißstände in der LPG-Leitung des Dorfes Merxleben gesagt werden mußte, wird sehr sachlich vorgetragen und ist auch verallgemeinerungsfähig, aber im Mittelpunkt der Studie stehen die Merxlebener mit dem Für und Wider zu "ihrer" LPG, die sich dadurch auszeichnete, dass sie überhaupt die erste Genossenschaft dieser Art in der DDR war. [...] Dass [Barbara Schier] sich in hervorragender Weise die zentralen, regionalen und kommunalen bzw. LPG-Archivalien nutzbar gemacht und eine so gut wie lückenlose Bibliographie bis in die 90er Jahre ausgewertet hat, kann hier nur als vorbildlich erwähnt werden. [...] Die Methodologie der "Oral history"-Forschung kann künftig an diesem Buch nicht vorbeigehen. [...] Barbara Schier hat eine für die Volkskunde der Gegenwart mustergültige Dissertation vorgelegt.
Wolfgang Jacobeit in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, 2002, Heft 3 und 4, S. 499-501.

Die Stärken der Studie liegen zweifellos in der eindringlichen Darstellung der Entwicklung Merxlebens nach der vollständigen Kollektivierung. Während für den davor liegenden Zeitraum vor allem bereits Bekanntes bestätigt wird, leistet die Autorin hier Pionierarbeit von hohem Wert. [...] Das Fazit der Autorin ist eindeutig: trotz umfassender Transformationsbestrebungen bestanden zwischen den Ansprüchen der SED-Agrarpolitik und der Realität im Dorf zu jedem Zeitpunkt weitreichende Diskrepanzen.
Jens Schöne in: Das Historisch-Politische Buch. 50. Jg., Heft 4, 2002, S. 420-421.

Wenn heutzutage ein Buchtitel ankündigt, man werde etwas über das Alltagsleben im "Sozialistischen Dorf" erfahren, ist die Frontbildung programmiert. Mutmaßen die einen, man werde auf ein verspätetes Heldenepos über LPG und Kooperation, Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe und Bäuerliche Handelsgenossenschaft stoßen, wittern andere eine polemische Abrechnung mit solcherart damaliger Institutionen und deren Protagonisten. Weder das eine noch das andere trifft bei diesem Buch zu. [...] Und so sei [...] nochmals auf diese Studie verwiesen, die ich, weitgehend unbekümmert von Rücksichtnahmen nach links und rechts, der jüngeren Geschichte jenes Dorfes Merxleben und seiner LPG widmet.
Werner Wühst in: Agrarjournal Thüringen, 7. Jg. 9/2002, S. 45.

Die Vorzüge des Buches liegen zweifellos in der außerordentlich dichten, präzisen und lebhaften Beschreibung Merxlebens, seiner Bevölkerung und ihres Alltags. Auch wer sich in der Materie auskennt, kann hier viel Neues erfahren. [...] Schiers Arbeit ist gut geschrieben, und angenehm fällt auf, daß sich die Autorin nicht scheut, klare Worte zu finden, wenn es ihrer Meinung nach um Unrecht oder verhängnisvolle Folgen der SED-Agrarpolitik geht.
Andreas Dornheim in: Zeitschrift für Volkskunde, 98 Jg. 2002/I., S. 131 ff.

Barbara Schier gelingt es eindrucksvoll, aus einer unabhängigen Perspektive ein problematisches Kapitel der deutschen Geschichte anhand des Fallbeispiels einer LPG zu analysieren. Das Buch ist zudem gut gegliedert und in einer klaren Sprache verfasst. Aufgrund der einleitenden Kapitel zum Forschungsstand und agrarpolitischen Hintergrund ist die Studie denen als Einstiegslektüre zu empfehlen, die sich mit der Agrarpolitik der SED und ihren Folgen auseinandersetzen wollen.
Dr. Thomas Fuchs in: Bauerstimme. 7/8, 2002. S. 20.

Mit ihrer volkskundlichen Studie legt Barbara Schier eine erste fundierte Untersuchung der sozioökonomischen Folgewirkungen der SED-Agrarpolitik der Jahre 1945 bis 1990 vor. Auf der Grundlage ausgewählter Archivalien und umfangreicher Zeitzeugenbefragungen analysiert sie den Wandel der dörflichen Lebenswelt vornehmlich in Hinblick auf die Veränderung der Sozialstruktur, das Zusammenleben der Dorfbewohner, die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die sich dabei ergebenden Handlungsspielräume (S. 13). Darüber hinaus gibt sie einen umfassenden Einblick in den Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen, der sich im Dorf vor allem in der Gründung und Transformation der Landwirtschaflichen Produktionsgenossenschaften (LPG) manifestierte und weitreichende Folgen zeitigte. Damit betritt die Autorin Neuland, denn bis zum heutigen Tage beschränkt sich sowohl die agrarhistorische als auch die sozialwissenschaftliche Forschung zur ländlichen Gesellschaft der DDR weitgehend auf den Zeitraum zwischen der Bodenreform und der Vollkollektivierung (1945-1960). [...] Zwischen den Ansprüchen der SED-Agrarpolitik und der Realität im Dorf bestanden [...] weitreichende Diskrepanzen. Dies in aller Deutlichkeit gezeigt zu haben, ist der vorrangige Verdienst der Studie. Es bleibt zu hoffen, dass weitere folgen werden [...] Denn noch immer sind hier zahlreiche zentrale Fragen offen - Barbara Schier hat mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag geleistet, diese zumindest in Teilen zu beantworten.
Jens Schöne in: H-Soz-u-Kult (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=648&type=rezbuecher)