Matthias Mohn
Die Inszenierung von Furcht und Schrecken im Hörspiel
Eine interdisziplinäre Untersuchung der Grundlagen, Mittel und Techniken der Angsterregung in der elektroakustischen Kunst

2019, 262 Seiten, br., 39,90 €, ISBN 978-3-8309-3962-7
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Drei Fragen an Matthias Mohn

Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Arbeit gekommen?

Ich muss gestehen, das Thema ist eher ‚zu mir gekommen’. Seit früher Kindheit haben mich auditive Medien bzw. Hörspiele immer begleitet. Ich glaube, ich bin eines der von Annette Bastian beschriebenen Kassettenkinder[1]. Klar, viele der von mir rezipierten elektroakustischen Inhalte – vielleicht von den drei ??? mal abgesehen ;-) – haben sich im Laufe der Zeit geändert, aber in den aller meisten Fällen war und ist ein Kriterium, welches darüber entscheidet, ob ich eine vermittelte Geschichte weiterverfolge oder nicht, dass sie mich berührt, dass ich sie als emotional packend empfinde. Des Weiteren hat mich auch die Verbindung von Musik und Emotionen fasziniert: Sowohl, wenn man selbst live spielt bzw. an einer Produktion mitarbeitet – ich spiele schon sehr lange Schlagzeug –, aber ebenso, wie diese Verbindung in einem wirkt, wenn man als Rezipient einem Musikstück (auch etwa in einem Film), einem Feature oder eben einem Hörspiel lauscht. Wenn dann noch die passenden Geräusche oder eine manchmal nahezu unerträgliche Lautlosigkeit an den entsprechenden Stellen eingesetzt worden sind, dann hat es mich immer wieder emotional ‚gefesselt’. Und natürlich hat man sich auch gerne mal gegruselt...

Und da kommt nun sehr offensichtlich die Angst ins ‚Spiel’. Genau diese Emotion ist im doppelten Wortsinn sehr spannend. Zum einen ist das im Allgemeinen eher negativ konnotierte Gefühl Angst als Zutat für jeden Plot, in sicherlich sehr stark variierender Intensität, unerlässlich, zum anderen sind die menschlichen Angst-Anlagen und Sozialisierungsaspekte entscheidend, inwieweit und mit welchen Mitteln die Hörspielschaffenden die Zuhörer zu emotionalisieren vermögen. Sich mit dieser Thematik, diesen Mechanismen wissenschaftlich sehr ausführlich beschäftigen zu dürfen, war sicherlich teilweise herausfordernd, hat mich aber immer wieder aufs Neue begeistert.

Was macht das Hörspiel als Medium Ihrer Ansicht nach so besonders?

Das Hörspiel ist ein ganz vielschichtiges, die Phantasie des Zuhörers beflügelndes Medium. Es kann, wie Christian Redel in den O-Tönen meiner Arbeit äußert, "riesige Räume öffnen." Räume, die durch die auditiven Vorgaben von Regisseur, Sounddesigner sowie von den unterschiedlichen Musikern und schlussendlich den Sprechern - es müsste eigentlich parallel zu den Schauspielern ‚Hörspielern' heißen - geformt und vor allen Dingen mittels der Vorstellungskraft des Rezipienten mit Leben gefüllt werden. Durch die Eigenleistung, die dieser erbringt, wird jedes elektroakustische Kunstwerk in gewisser Weise zu einem Unikat. Man kann 100 Zuhörer befragen, und jeder stellt sich doch ein Gesicht bzw. das Erscheinungsbild einer Figur ein bisschen anders vor oder hat leicht abweichende Empfindungen bei einer vermittelten Handlung oder Atmosphäre. Dass ‚nur' durch die Präsentation bzw. Wahrnehmung einiger Töne, eine individuelle ‚Klangwelt' im Kopf des aufmerksamen Zuhörers entstehen und ihn auch emotional vollständig involvieren kann, finde ich, trotz zahlreicher Einsichten, welche ich innerhalb dieser Studie gewinnen durfte, immer noch äußerst faszinierend. Ich glaube, wenn man sich nur einige Statements der befragten Hörspielschaffenden anhört, wird diese Faszination noch deutlicher.

Welche für Sie unerwartete Erkenntnis hat Ihre Forschung ergeben?

Zunächst muss festgehalten werden, dass sich hinter der Produktion jener Töne, sicherlich abhängig von der Art der Umsetzung, sehr viel Planung, Arbeit bzw. Aufwand, Herzblut, Fingerspitzengefühl und Know-how verbirgt. Dies miterleben zu dürfen, hat die Wertschätzung gegenüber der elektroakustischen Kunstform noch mal gesteigert.

Interessant sind die Eindrücke, hinsichtlich des Umgangs der einzelnen Akteure, mit der zu vermittelnden Emotion Angst. Klar, alle der Befragten sind sich der möglichen Wirkungsmächtigkeit inszenierter Angst ‚irgendwie' bewusst, allerdings vielfach erst auf den zweiten Blick; sprich infolge einer expliziten Nachfrage. In erster Linie scheint es so zu sein, als geschehe das Angst behaftete akustische Spiel schlicht und einfach instinktiv, aus einem schöpferischen Automatismus heraus, mit der Prämisse, die unterschiedlichen fiktionalen bzw. faktualen Realitäten möglichst plausibel ausformulieren und hochgradig authentisch abbilden zu wollen. Aus der Perspektive des Zuhörers finde ich dies beruhigend, man kommt sich dann weniger manipuliert vor.

Insgesamt betrachtet, war es für mich auch mit dem Abschluss dieser Forschungsarbeit überraschend, dass noch niemand vor mir die beiden durchaus populären Forschungsfelder Hörspiel und Angst zusammengeführt hat. Da in der Gefühls- bzw. Angstforschung dem auditiven Vermittlungskanal von Emotionen bestenfalls in theater- oder filmwissenschaftlichen Studien Beachtung geschenkt wurde, es jedoch bislang noch kein Konzept gab, das explizit ein Schlaglicht auf das Medium Hörspiel gerichtet hat, ist es einfach an der Zeit gewesen, jenes nun Teil des emotional turn werden zu lassen, und umgekehrt der Hörspielforschung die Berücksichtigung einer emotionsorientierten Perspektive näher zu bringen.


[1] Bastian, Anette: Das Erbe der Kassettenkinder. ...ein spezialgelagerter Sonderfall. Brühl 2003.